Dein Körper ist dein bester Freund. Dieser Satz hat schon einige meiner Klient* innen überrascht und langfristig begleitet, und wenn ich mich mit seiner Bedeutung verbinde, berührt er mich immer wieder neu.
Tatsächlich sehen wir unseren Körper selten als ein echtes Gegenüber, mit dem wir in einer Beziehung sind. Denn wenn es so wäre, würden wir unsere Körperwahrnehmung öfter aktivieren und uns fragen: Wie geht es ihm eigentlich gerade? Braucht er etwas, kann ich ihn irgendwie unterstützen? Wann habe ich das letzte Mal bewusst Zeit mit ihm verbracht? Bin ich liebevoll und achtsam genug mit ihm?
Körperempfinden ist uns oft unangenehm
Stattdessen behandeln wir unseren Körper oft genug wie einen Gebrauchsgegenstand, der zu funktionieren hat und den man allenfalls zur Reparatur bringt, da man ihn ja nicht einfach auswechseln kann.
Wir spüren unseren Körper, wenn wir unsere Muskeln anspannen, Hunger haben, frieren, auf die Toilette müssen, wenn wir uns bewegen, schlucken, lachen, gähnen, atmen… theoretisch eigentlich dauernd. Praktisch schaut das anders aus. Wir sitzen einen Gutteil unseres Tages, ohne den Kontakt mit der Sitzfläche wahrzunehmen, denn unsere Aufmerksamkeit ist am Bildschirm oder in Gedanken. Wir führen automatisierte Bewegungen ohne viel Körperwahrnehmung aus. Wir haben unsere Gestik, Mimik und den körperlichen Ausdruck unserer Gefühle auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mindestmaß heruntergeschraubt.
Das Körperempfinden ist uns oft unangenehm. Wir haben früh gelernt, unser Magenknurren oder Blasendrücken bis zur Pausenklingel zurückzuhalten. Und wenn sich der Körper mit Schmerzen meldet, werten wir es als kein gutes Zeichen, also besser, es erstmal zu ignorieren.
Ich habe hier bewusst etwas überzeichnet. Doch wenn wir zum Bild des Körpers als guten Freund zurückkommen, dann ist es uns oft gar nicht recht, wenn er plötzlich unangemeldet vor der Tür steht. Wir hören ungern auf sein Klopfen, seine Signale. Auch mir ist es einmal so gegangen. Wenn du mehr über meinen Weg wissen willst, Freundschaft mit meinem Körper zu schließen, lies‘ gerne in ‚Dich spüren macht glücklich‘ nach.
Körperwahrnehmung als Schlüssel zur Freundschaft mit mir selbst
Der bewusste Kontakt mit dem eigenen Körper ist ungewohnt. Einfach nur meinen Körper spüren und sonst nichts tun? Darf ich das überhaupt? Was ist der Sinn? Diese Frage höre ich tatsächlich in Sitzungen öfter, denn wir sind es gewohnt, immer etwas ‚Produktives‘ zu tun zu haben. Doch was würde ein*e gute*r Freund*in sagen, wenn wir die Frage stellen, was es denn für einen Sinn hätte, Zeit mit ihm oder ihr zu verbringen?
Die Körperwahrnehmung ist der Schlüssel dazu, meinem Körper als bestem Freund zu begegnen. Dazu braucht es nichts als meine Aufmerksamkeit, meine Zeit, den Körper bewusst, achtsam und regelmäßig zu spüren. Ich erlaube mir, ihn wahrzunehmen, nicht als Instrument, das mir dient, sondern um seiner selbst willen, erwartungslos.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist tatsächlich die Absichtslosigkeit. Echte Freundschaft bedeutet, Interesse am anderen zu haben, da zu sein, ohne Hintergedanken. Ich möchte dir begegnen, ohne etwas zu brauchen, zu bekommen, sondern einfach, weil ich dich mag. Wenn wir unserem Körper über die Körperwahrnehmung Aufmerksamkeit schenken, dann können wir spüren, wie er aufatmet, jede Zelle weit wird und sich entspannt. Wir kommen tiefer und besser bei uns selbst an.
Dein Körper ist einzigartig und wunderbar
Kennst du das Gefühl, wenn du mit Menschen bist, die dich uneingeschränkt annehmen, wo du dich gemocht fühlst, egal was ist? Beobachte einmal dein Körpergefühl, wenn du mit solchen Freund*innen zusammen bist. Du wirst weich, offen, entspannt, fühlst dich einfach wohl, sprühst vor Energie. So reagiert auch dein Körper, wenn du ihm signalisierst, dass er dir wichtig ist, wenn du ihn bedingungslos annimmst und liebevoll behandelst.
Wenn du aber ständig kritisch, ungeduldig oder hart mit ihm bist, ihn anders haben möchtest, vielleicht sogar manches gar nicht spüren willst, kann das tiefgreifende Auswirkungen haben. Die Körperwahrnehmung sinkt. Distanz und Rückzug vom eigenen Körper verhindern, dass du seine feinen Signale wahrnimmst. Der Körper fühlt sich gestresst, unterdrückt Gefühle in Form von Verspannungen und Blockaden im Gewebe, die sich verfestigen. Das Risiko für psychosomatische Beschwerden, chronischen Schmerz, Verletzungsanfälligkeit und Krankheit steigt.
Wir leben in einer Gesellschaft, die uns suggeriert, dass wir ‚perfekt‘ aussehen müssen, gesund sein, jung, schnell und stark. Doch jeder Körper ist anders, hat andere genetische Voraussetzungen und besitzt seine eigene Schönheit. Jeder Körper ist ein würdevoller Spiegel der eigenen Geschichte, und das ist gut so. Statt uns ständig mit anderen zu vergleichen, fremden Ansprüchen gerecht werden zu wollen, können wir lernen, die Einzigartigkeit unseres eigenen Körpers zu schätzen. Dein Körper und sein Ausdruck sind einzigartig, und das ist wunderbar so. Je mehr du ihn annimmst, achtsam für ihn sorgst, desto mehr kannst du dich in ihm wirklich zuhause fühlen.
Die Signale und Bedürfnisse des Körpers achten lernen
In einer echten Freundschaft hören wir einander zu und respektieren die Bedürfnisse des anderen, auch wenn sie anders sind als unsere eigenen. Genauso verhält es sich auch mit unserem Körper. In unseren Gedanken ist alles möglich, und so haben wir oft Ziele und Vorstellungen, die die Realität unseres Körpers ignorieren. Tatsächlich ist die physische Form des Körpers gebunden und begrenzt, und wenn wir achtsam sind, dann können wir das zeitgerecht wahrnehmen.
Betrachten wir unseren Körper als Freund, dann merken wir erst, dass er uns ständig unterstützt, dass jeder Teil des Körpers seinen Beitrag leistet zu unserem Tun und Wohlbefinden. Wann danke ich meinen Füßen, dass sie mich durch den Alltag tragen, meinen Händen, wieviel Dinge sie schaffen, meinen Lungen, die mich mit Sauerstoff versorgen, meinem Herzen, das den Takt hält? Horche ich darauf, wann sie eine Ruhepause brauchen, oder ignoriere ich ihre Signale? Nehme ich bewusst wahr, welche Nahrung ihnen bekommt, welcher Rhythmus von Nähe und Distanz, Bewegung und Entspannung? Anstatt mich kritisch anzutreiben, darf ich meinem Körper danken, dass er mich an meine Grenzen erinnert.
Mich im Spüren immer wieder neu erfahren
Es kann faszinierend sein, über die Körperwahrnehmung scheinbar Selbstverständliches zu beobachten. Wie spürt es sich an zu atmen, wenn sich der Brustkorb hebt und senkt, die Luft durch die Nasenflügel streicht? Wie ist es, wenn der Körper schwer in die Unterlage sinkt, die Muskeln entspannen und Gewicht abgeben? Wie fühlt sich die Berührung meiner Haut jetzt gerade an?
Auch hier kann ich viel über Freundschaft lernen, denn ich erfahre meinen Körper in jedem Spüren neu. Oft haben wir schon ein klares Bild und fixe Zuschreibungen für uns selbst oder andere, anstatt uns und sie immer wieder neu zu entdecken. In der bewussten Körperwahrnehmung erlebe ich meinen Körper als lebendigen Organismus, der in ständiger Veränderung ist. Emotionen und Körperempfindungen sind jedes Mal anders. Ich entdecke neue Atemräume, die bisher nicht spürbar waren, merke dass Stimmungen und Schmerzen wandelbar sind. Mein Spür-Radius erweitert sich, ich öffne mich für neue Erfahrungen, bei mir selbst, und damit auch bei anderen.
Körpersignale und Symptome als Wegweiser erkennen
Die Freundschaft mit deinem Körper zu vertiefen ist ganz einfach, er wartet nur auf deine Aufmerksamkeit. Was es braucht, ist, wie in jeder echten Freundschaft, dranzubleiben. Nimm dir im Alltag regelmäßig kurze Pausen, um in dich hineinzuspüren: Spüre ich meine Füße am Boden? Wie fließt mein Atem? Welche Körperhaltung nehme ich gerade ein? An welchen Stellen nehme ich Entspannung oder Spannung, Wärme oder Kälte wahr?
Solche Mini-Check-Ins helfen, das Gespür für deinen Körper und seine ständigen Veränderungen zu vertiefen, seinem Rhythmus zu lauschen und feine Nuancen und Signale wahrzunehmen. Du wirst mit der Zeit besser spüren, was deinem Körper guttut, und mögliche Anzeichen von Überlastung frühzeitig erkennen.
Ein guter Freund wird immer versuchen, aufrichtig und zugleich unterstützend zu sein. Und so ist auch jede Wahrnehmung in deinem Körper eine Einladung, ehrlich zu spüren, wie es dir geht und was du gerade brauchst.
Schmerzen oder unangenehme Empfindungen wollen dich meist informieren, was deine Aufmerksamkeit benötigt. Wenn dein Atem flach ist, der Brustkorb sich eng anfühlt, vielleicht braucht es sanfte, weitende Bewegungen, wenn ein Muskel hart ist, mag er vielleicht eine lösende Berührung, wenn Körperstellen schmerzen, hilft manchmal schon ein liebevolles und beruhigendes Halten.
Selbstfürsorge beginnt bei der Körperwahrnehmung
Wenn wir die feinen Botschaften unseres Körpers wahrnehmen und verstehen, schaffen wir eine Verbindung, die tiefer geht als rein physische Gesundheitsvorsorge. Wir kommen auch verstärkt mit unseren Emotionen in Kontakt, die im Körper gespeichert sind, und können sie besser wahrnehmen, annehmen und regulieren. Wir beginnen, eine liebevolle Beziehung zu unserem Körper zu entwickeln, sanfter und rücksichtsvoller mit ihm zu sein, und dadurch besser auf unsere Bedürfnisse zu achten, Mitgefühl, Fürsorge und Geduld mit uns selbst zu entwickeln.
Wenn wir beginnen, unseren Körper als unseren besten Freund zu betrachten, verändert sich unser gesamtes Leben. Eine gesunde, liebevolle Beziehung zu unserem Körper ist der Schlüssel zur Entwicklung unseres Potentials, zu einem glücklicheren, ausgeglicheneren Leben. In meinen Sitzungen geht es genau darum, die Verbindung zu unserem Körper zu vertiefen und ihn als das kennenzulernen und wertzuschätzen, was er ist: Unser treuester Begleiter auf dieser Reise durchs Leben. Nimm dir einen Moment, um in dich hineinzuspüren und deinem Körper für all das zu danken, was er für dich tut, denn er ist tatsächlich dein bester Freund.
All unser Wissen hat seinen Ursprung
in unserer Wahrnehmung.
Leonardo da Vinci