Zwischen Loslassen und Neuwerden

Raupe-Loslassen-Neuwerden-Claudia-Schachinger

Meine neue Homepage hat das Licht der Welt erblickt. Ich freue mich. Ich bin erleichtert. Die Ideen der letzten Monate haben eine Form bekommen. Etwas Neues ist entstanden. Ich zeige mich damit.

Was man nicht sieht, sind die vielen verworfenen Formulierungen, das stundenlange Brüten über Farbe und Text, die Zweifel, und noch mehr Zweifel, das Wechselbad der Gefühle. Wie schwer es mir gefallen ist, mich von der liebgewonnenen alten Homepage zu trennen, mich neu festzulegen.

Entwicklungsprozesse sind ein permanentes ‚Stirb und werde‘, egal ob wir an einem neuen Projekt arbeiten oder durch innere Transformationen gehen, ob uns Ereignisse im Außen mit Veränderung konfrontieren oder ob wir unser Leben bewusst neu gestalten. Es gehört unweigerlich dazu, Altes loszulassen und Neues willkommen zu heißen.

Eine Art Zwischenraum

Ich erlebe es immer wieder als eine Art ‚Zwischenraum‘, das Alte ist noch nicht ganz verabschiedet, das Neue hat noch keine Form. Eigentlich interessant, aufregend, und irgendwie genieße ich die Freiheit die darin liegt, die Tatsache dass alles möglich ist, aber noch nichts fix.

Zugleich ist es ein sehr fragiler Zustand, ich fühle mich auch dünnhäutig, zerbrechlich, ungeschützt, unsicher, unklar. Ein Hängen zwischen den Welten. Leicht passiert es mir, dass mich die Vielzahl der Möglichkeiten lähmt und überfordert.

Vielleicht denken einige jetzt, Projekte wie die Entwicklung einer neuen Homepage kann man nicht mit grundsätzlichen Lebensveränderungen oder Krisen vergleichen. Das möchte ich auch gar nicht. Doch ich möchte den Blick dafür schärfen, dass wir durch diese Art von Prozess im Alltag ständig durchgehen. Loslassen und Neuwerden, Ausatmen und Einatmen, immer und immer wieder. Je bewusster wir das in alltäglichen Situationen machen, quasi als Übungsfeld, desto leichter gelingt es uns vielleicht in den großen Krisen und Umbrüchen, diesen ‚Zwischenraum‘ als solchen zu erkennen und anzunehmen.

Ein Schritt aus der Komfortzone

Denn oft sind wir in diesem Zwischenraum konfrontiert mit unangenehmen Gefühlen, Ängsten, Trennungsschmerz. Was passiert wenn ich ganz loslasse, ohne zu wissen was werden wird? Wir erleben Abhängigkeit, Wut oder Kontrollverlust, wenn die Loslösung schwerfällt. Sehr grundsätzliche Sinnfragen und Zweifel melden sich. Unser Grundvertrauen wird einem Härtetest unterzogen. Ein Schritt aus der Komfortzone ist gefordert, und plötzlich werden alte, oft längst überwunden geglaubte Muster durchs Brennglas vergrößert erlebt und verdecken die Sehnsucht nach dem Neuen, den Blick auf die möglichen Chancen.

Eine Sache an diesem Zwischenraum war für mich lange Zeit das schwierigste: das ‚Nichts‘ aushalten. Mit ihm einfach sein. Mutig und Gelassen. Nichts wissen. Alleine durchgehen. Manchmal zeigt sich dieses ‚Nichts‘ als eine Art diffuses Abgeschnitten sein von meinem Fühlen und Spüren, wie in Watte gepackt, aus der Welt gepuffert. Ich habe eine Zeit lang den Eindruck, bewegungs- und denkunfähig zu sein, etwas blockiert total. Wenn ich dann wieder auftauche, wird mir bewusst, das war gut und notwendig so, ein Schutz vor dem Zuviel an Gefühlen, Möglichkeiten, Fragen. Es schüttelt einen ziemlich durch, wenn die alten Anhaftungen weg sind, und sich noch keine Resonanz mit dem Neuen zeigt.

Dem Nichts vertrauen lernen

Warum ich jetzt, wo doch die neue Homepage endlich fertig ist, von diesem Zustand erzähle? Weil diese Zwischenräume, rückblickend betrachtet, zu den wertvollsten Phasen meines Lebens gehören. Weil ich ihnen besondere Erkenntnisse verdanke. Weil dieses ganz zurückgezogen und auf mich selbst geworfen sein auch tiefe Rückbindung an etwas Größeres ermöglicht.

Aus diesem Nichts entsteht alles, kommt mir vor. Je mehr ich loslasse und sein lasse, desto mehr Raum öffnet sich für das Neue in seiner ganz ureigenen Form. Je weniger ich nach Orientierung im Außen suche, desto eher darf es aus meinem Inneren heraus wachsen, werde ich zu meinem eigenen Leuchtturm. Je mehr ich mich diesem ‚Nichts‘ und den darin auftauchenden Gefühlen vertrauensvoll hingebe, desto eher öffnet sich mir ihr Potential. Je geduldiger ich den Samen ruhen lasse und in die Tiefe des Nichts eintauche, desto schöner und überraschender der Moment der Geburt.

Angesichts des Neuen (das ohnehin immer im Werden bleibt) singe ich also ein Loblied auf den ‚Zwischenraum‘, durch den es immer wieder zu gehen gilt. Und für alle, die das so wie ich als Herausforderung empfinden, habe ich folgenden schönen Text gefunden.

Sometimes when you’re in a dark place
you think you’ve been buried,
but you’ve actually been planted.

Christine Caine

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