Entwicklung braucht Geduld

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Ich freue mich gerade über den Frieden und die Ruhe in mir, nachdem die letzten Monate innerlich sehr turbulent waren. Es hat seine Zeit gebraucht, aber jetzt ist wieder ein Stück Veränderung passiert, es fühlt sich leicht und gut an. Dazwischen war das anders: Wochenlang begleiteten mich körperliche Beschwerden, ich wälzte überwunden geglaubte Gefühle, manchmal war ich einfach genervt und fragte mich, wie lange das noch dauert.

Ich war lange ein sehr ungeduldiger Mensch. Ich gestehe, Teile in mir sind es immer noch. Doch Geduld ist für mich zu einem Schlüssel der Veränderung geworden. Ich halte die Phasen, in denen es nicht so rund läuft, besser aus, bei mir selbst und bei anderen. Geduld entspannt ungemein. Sie lässt Stress richtiggehend schmelzen. Denn heute weiß ich, wie viel Druck und Stress es mir früher gemacht hat, ungeduldig zu sein. Es war ein spannender Moment in meiner körpertherapeutischen Ausbildung, diesen Druck physisch in meinen Zellen zu spüren. In diesem Moment begann ich loszulassen.

Ein Plan entfaltet sich

Lange Zeit war mir der Stress, die Rastlosigkeit, gar nicht bewusst. Am liebsten hätte ich alles gleichzeitig und sofort gemacht, auf jeden Reiz im Außen reagiert. Wir leben ja in einer Zeit der Beschleunigung, wo immer mehr immer schneller erledigt wird.

Die Natur, und auch unser Körper, senden andere Botschaften. Hast du schon einmal eine Pflanze beim Wachsen beobachtet? Ein Kind beim Älterwerden? Der Vorgang ist kaum wahrnehmbar, und es erscheint wie ein Wunder, das in wenigen Wochen aus einem Samenkorn grüne Blätter sprießen, aus einer befruchteten Eizelle ein Embryo mit Organen wird. In der Tiefe vollzieht sich ein steter Wandel, der unaufhaltsam ist, aber Zeit und Raum enthoben scheint. Es ist ein fließender Prozess. Auch die Zellen unseres Körpers erneuern sich so alle 7 bis 10 Jahre.

Entwicklung passiert. Ein innerlicher, wunderbarer Plan entfaltet sich, der all unsere Vorstellungen übersteigt. Das geht nicht schneller, wenn wir daran ziehen und zerren. Wenn wir die Geschwindigkeit bestimmen möchten. Es mehr oder anders wollen.

Schichten mit Geschichten

So ist es auch mit unserer psychischen Entwicklung: Wer das eine oder andere Muster oder Thema in seinem Leben als hinderlich erkennt, wer alte Geschichten loslassen möchte, der braucht Geduld auf seinem Weg. Man kann sich für die Veränderung entscheiden, immer wieder gezielt Impulse setzen, doch dann darf man vertrauen in den Prozess, der sich vollzieht.

Jede Schicht unserer Persönlichkeit erzählt eine Geschichte über unser Leben, wie die Jahresringe eines Baumes. Jedes Muster, das wir entwickelt haben, hatte seinen Sinn und seine Aufgabe in bestimmten Phasen unseres Lebens. Sie halten zum Teil ganz alte und frühe Themen, diese Schichten, ob bewusst oder unbewusst, und manche Themen sind gut versteckt, tief vergraben. So tief wie der Samen in der Erde, der Embryo in der Gebärmutter.

Das Leben lädt uns immer wieder ein, Vertrauen in den Plan unserer Entwicklung zu haben, nicht nur in den äußeren, auch in den inneren. Wir dürfen der Weisheit unseres Wesens glauben, gerade in den Phasen, in denen es nicht so rund läuft. Die Pflänzchen und Impulse, die wir entlang des Weges gesetzt haben, werden sich in ihrer Zeit entfalten.

Wunder der Zeitlosigkeit

Und wenn wir manchmal denken, an diesem Punkt waren wir doch schon tausendmal, dann mag das daran liegen, dass Wachstum sich eben oft erst im Nachhinein zeigt. Dass es eben nicht linear verläuft, sondern seinen eigenen Rhythmen und Gesetzen folgt.

Die Geduld ist hier ein guter Schlüssel: Sie öffnet ein Tor zur Zeitlosigkeit. Das Ziel, so wichtig es ist, tritt zurück, und macht Raum auf für den Moment, das Sein im Hier und Jetzt. Dann können wir jeden Moment als neu und einzigartig erkennen. So wie es gerade jetzt ist, so wie ich gerade jetzt bin, ist es dann richtig und gut. Ich darf loslassen und vertrauen in dem Wissen, dass es nicht nur mein Mühen und Tun ist, das mich weiterbringt, sondern dass ich getragen bin von der universellen Kraft, die Entwicklung entfaltet.

In dieser Haltung ist das Bestmögliche möglich. In manchen Momenten passiert dann tatsächlich so etwas wie ein Wunder, wenn wir ganz neue Gefühle wahrnehmen, wenn auf einmal eine alles verändernde Erkenntnis da ist, wenn sich etwas löst, das uns schon lange zu schaffen macht. Und jede dieser Erfahrungen und Erkenntnisse verankern sich in uns, formen eine neue Erinnerung in unseren Zellen und verändern in wachsenden Impulsen unseren Alltag und unser Leben.

Man muss den Dingen die eigene,
stille ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und dann gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit…

Rainer Maria Rilke

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. christian weber

    Danke für die schöne Formulierung liebe Claudia!

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