Bist du gerade in einer herausfordernden Lebensphase, und es fühlt sich schwer und überwältigend an? Oder du findest deinen Alltag an und für sich großteils mühevoll und anstrengend? Ich ermutige dich, dir die Qualität der Leichtigkeit in dein Leben zurückzuholen.
Leichtigkeit bedeutet nicht, Probleme oder belastende Gefühle zu ignorieren oder zu verharmlosen, das Leben und seine Aufgaben nicht ernst zu nehmen. Doch Leichtigkeit als Eigenschaft kann helfen, bewusst einen positiven Weg zu wählen, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen und Krisen besser zu bewältigen.
Leichtigkeit ist Hingabe an die Lebensfreude
Wann spürst du Leichtigkeit, was assoziierst du damit? Schwerelos im Wasser treiben. Zart und spielerisch den Wind auf der Haut spüren. Schwingend auf einer Schaukel sitzen und die Schwerkraft aushebeln. Zufrieden und sorglos im Urlaub schlendern. Den Flow-Zustand beim Musizieren, Malen, Joggen oder Meditieren spüren. Mußestunden erleben. Verliebt und mit Schmetterlingen im Bauch lustwandeln.
Leichtigkeit bedeutet Freude, Hingabe, Freiheit, Einfachheit, Genuss. Stell dir vor, du schleppst ständig einen schweren Sack auf deinen Schultern. Wärst du nicht froh, ihn abzulegen? Leichtigkeit ist das Gegengewicht zu jeder Last, die du trägst. Sie lässt dich wieder aufatmen, Lebensfreude und Glück spüren, und sei es nur für einen Augenblick. Die Leichtigkeit sagt: Du darfst ein Stück loslassen, den Moment und das Leben genießen. Du darfst einfach sein.
Schwere Glaubenssätze und Strenge erkennen
Leichtigkeit ruft schnell Bewertungen und alte Glaubenssätze auf den Plan: So einfach kann es nicht sein. Das Leben ist kein Kinderspiel. Nur wer leistet, bringt es zu etwas. Ich darf die Kontrolle nicht verlieren. Nur keine Gefühle und keine Schwäche zeigen. Wie kann es mir gutgehen, wenn so viel Schlimmes und Schweres passiert?
Wenn wir uns die Frage stellen, woher solche Sätze kommen und wozu sie uns dienen, werden wir schnell fündig. Bei vielen wurde der Selbstwert in der Kindheit über Leistung, Erfolg und Anpassung definiert. Erwünschtes, gutes und moralisches Verhalten hat die kindliche Leichtigkeit streng zur Ordnung gerufen oder sogar mit Verboten belegt. Das Kinderspiel war den Erwachsenen ein Dorn im Auge.
Tatsächlich sind Kinder Meister*innen der Leichtigkeit, von denen wir lernen können. Sie navigieren großteils unbeschwert, mit Entdeckerfreude und Lust von Moment zu Moment. Sie drücken Gefühle aus, wenn sie da sind, und lassen sie dann wieder gehen, belasten sich nicht dauerhaft damit. Sie bewerten nicht, folgen ihren Impulsen und haben Freude an vielen Kleinigkeiten.
Bewusst die Leichtigkeit einladen
In Krisensituationen fallen wir schnell in alte Muster zurück. Unser Nervensystem ist alarmiert, wir haben dadurch, oft auch unbewusst, innerlich Stress. Die alten Glaubenssätze werden aktiv, weil sie uns vermeintlich Halt geben. Sie sind wie Routinen, Automatismen, denen wir folgen, die uns vertraut sind, aber das Leben oft auch zusätzlich schwer machen, Gefühle von Schuld, schlechtem Gewissen und Selbstkritik begleiten sie.
Wenn du vor lauter Stress und Verpflichtungen nicht mehr ein noch aus weißt, erlaubst du dir durchzuatmen, bewusst loszulassen, Pausen einzubauen, nein zu sagen, statt nur zu funktionieren, von Druck und Versagensangst getrieben? Bei Krankheit, wie kannst du Freude in einfachen Dingen erleben, etwas tun das dich glücklich macht, statt die Tage in Schwere, Isolation und Angst zu verbringen? Wenn du in Konflikten steckst, deinen Job oder deine Beziehung verloren hast, lässt du dich von Vertrauen und positiven Gedanken leiten, oder machen sich Ärger, Bitterkeit oder Angst breit? Wenn du trauerst, erinnerst du dich, dass der Mensch, der fehlt, gewollt hätte, dass du ein leichtes, fröhliches Leben hast?
Wenn es schwer wird, dürfen wir uns immer fragen, wie es leichter werden kann. Dein Körper unterstützt dich hier wunderbar. Du kannst die Leichtigkeit körperlich spüren, Fließen, Weite, Weichheit, Wärme. All diesen Qualitäten kannst du in dir Raum geben, sie bewusst einladen, über liebevolle Berührungen, sanfte Dehnungen, weiche Atmung oder ruhige Bewegung.
Kontrolle abgeben, Vertrauen üben
Oft wollen wir Menschen und Zustände gerne kontrollieren und festhalten. Das entspricht unserem Bedürfnis nach Stabilität und Planbarkeit. Wenn wir das und das tun, wird das und das sein, lautet die Devise. Viele von uns arbeiten täglich ihre mentalen ‚To do‘-Listen ab. Wie deine Muskeln sich anspannen, dein Körper sich anstrengt, wenn du ein Gewicht hältst, so ist auch das Festhalten an Erwartungen, Gefühlen und Glaubenssätzen über einen langen Zeitraum für Körper und Geist sehr mühevoll und erschöpfend. Wenn das Ergebnis nicht ist wie gewünscht, sich Beziehungen verändern, Ziele nicht erreicht werden, ist Widerstand und Enttäuschung groß.
Tatsächlich ist die einzige Konstante im Leben die Veränderung, sagte schon Heraklit. Wir können Vieles nicht beeinflussen. Wenn wir uns auf den jeweiligen Moment konzentrieren, dann lassen wir viel Schwere los, die in den Erfahrungen von Gestern und den Plänen von Morgen liegt. Jetzt bin ich da, jetzt wirke ich, und das ist genug. Das Vergangene ist vorbei, und der Weg entsteht im Gehen (Mehr zu diesem Ansatz der Achtsamkeit liest du in ‚Achtsamkeit ist Mut zum Jetzt‚). In diesem Vertrauen werfe ich viel Ballast ab, den zu tragen niemandem nützt, und ich lasse mir und den anderen mehr Freiheit. Wir alle werden einmal gehen, und Leichtigkeit ist eine Einladung zur Hingabe an den Lebensfluss.
Vom Funktionieren zu Freiheit und Freude
Schwere im Leben entsteht auch, wenn wir versuchen, immer perfekt zu sein, uns selbst hintanstellen, um den anderen und ihren Ansprüchen zu genügen. Wir erfüllen Erwartungen, spielen Rollen, passen uns an, sind immer beschäftigt, immer verfügbar, immer stark. Wir sind mehr bei den anderen als bei uns selbst, scannen unser Umfeld nach möglichen Bedürfnissen oder Bewertungen. Das macht viel Stress, denn ich erlaube mir selten loszulassen und zu entspannen. Ich entspreche, statt einfach nur zu sein. Im eigenen Kopf sitzt ein strenger und bewertender Anteil, dem ich nie gut und richtig genug bin.
Wenn du dieses Muster von dir kennst, wie könntest du diesem inneren Beobachter anders und neu begegnen? Die Leichtigkeit tritt dem Perfektionismus mit Lockerheit, Spontanität und Humor gegenüber. Erlaube ihr, dich in Schwingung zu bringen, in deine Eigenschwingung, Ansprüche loszulassen und deine Bedürfnisse wahrzunehmen. Die Leichtigkeit bringt dich in Fluss, nicht alles zu ernst zu nehmen. Sie lädt ein, dich vom Leben bewegen zu lassen und ihm zu vertrauen, mehr und mehr deine eigene Präsenz, deine Grenzen und dein So-Sein zu spüren, Du darfst den Moment genießen, statt dich über Erwartungen zu definieren. Leichtigkeit lenkt den Fokus auf Freude und Freiheit statt Festhalten und Funktionieren. Mir ist in einer Auszeit einmal ein Satz zugefallen, der hier gut passt: ‚Mit Muss ist jetzt Schluss. Ich darf, ich kann, das fühlt sich gleich viel leichter an‘.
Das Unvollkommene lieben lernen
Mit meinem Plädoyer für die Leichtigkeit möchte ich Krisen und Schwierigkeiten nicht kleinreden. Der Punkt ist, ich kann die Situation selbst nicht ändern, wohl aber meine Perspektive, mit der ich darauf schaue, und meinen Umgang damit.
Leichtigkeit ermutigt dazu, die Unvollkommenheit des Lebens zu akzeptieren, authentisch zu sein und sich so zu zeigen, wie man sich fühlt. Das mindert Druck und Selbstkritik und unterstützt, auch das Leben so anzunehmen, wie es ist. Der Geist wird ruhiger und öffnet den Zugang zur Intuition. Leichtigkeit ist eine Einladung, mir selbst und meiner inneren Stimme zu vertrauen. Im Song ‚let it by easy‘ bringt Karen Drucker das musikalisch sehr beschwingt auf den Punkt.
Nimm‘ das Leben also getrost manchmal ‚auf die leichte Schulter‘. Leichtigkeit ist die Fähigkeit, den Weg, den du gehst, zu genießen und Frieden mit dir selbst zu finden, gerade auch in dunkleren Zeiten.
Will man Schweres bewältigen,
so darf man es leicht angehen.
Berthold Brecht