Von der Sicherheit in mir

Angst und Sicherheit_Hoehle am Meer

Ich sitze in einer kleinen Höhle auf einem Felsen über dem Meer und schaue den Wellen zu. Die Höhle ist klein und schützend, zugleich dunkel und fremd. Das Meer unter mir scheint unendlich weit und gefährlich bewegt, zugleich spüre ich die tragende und bergende Kraft des Wassers.

In diesem Moment spüre ich, wie sehr die Sehnsucht nach Sicherheit mein Leben geprägt hat. In wieviel Enge habe ich mich schutzsuchend zurückgezogen, um der Weite des Ozeans zu entfliehen? Und wie viel aufregenden Erfahrungen bin ich ausgewichen, weil sie mir fremd und unsicher erschienen?

Die Natur sagt mir: Es gibt sie nicht, ‚die‘ Sicherheit. Es gibt nur meine Wahrnehmung, meinen Blick darauf. Tatsächlich ist Sicherheit eine Illusion. Das Leben selbst ist ‚lebensgefährlich‘ und endet mit dem Tod.

Der Tod war in der Tat meine erste Erfahrung, noch bevor ich überhaupt auf die Welt kam (mehr darüber in Von der Heilung des Embryo), und das hat sich tief in meine Zellen eingeschrieben. In diesem Moment am Meer erkannte ich den Zusammenhang: Ich suchte nach Sicherheit im Außen, weil ich mich selbst in meinem eigenen Körper bedroht, unsicher, nicht geborgen und geschützt gefühlt hatte.

Wie Kindheits-Erfahrungen unsere Sicherheit beeinflussen

Wie soll ich dem Meer vertrauen mich zu tragen, wenn ich in meinem eigenen Körper nicht Halt finde? Grenzen geben Struktur, sie vermitteln die Sicherheit, uns innerhalb eines Rahmens ganz hingeben zu können, loszulassen. Wasser braucht ein Gefäß, um nicht zu versickern, wenn es frei fließt. Mehr  dazu liest du unter Kraft der Körper-Grenzen.

Was aber, wenn uns diese Sicherheit gefehlt hat? Wenn wir früh in unserem Leben die Erfahrung machen, in den Grenzen unseres physischen Körpers nicht gut gehalten zu sein, durch die liebevolle Berührung anderer Menschen nicht getragen zu werden, keine klaren Regeln und Routinen im Außen zu erleben, oder sogar Unsicherheit und Gefahr?

Unsere Zellen ziehen sich zusammen, unsere Muskeln verspannen sich, die Energie strebt nach innen, hält fest und versucht, selbst Halt zu schaffen. Eine ‚rigide‘ Körperstruktur entsteht, unbeweglich und streng, verspannt und eng. Angst kommt vom lateinischen ‚angus‘, Enge. Tatsächlich ist es die Angst, die uns zusammenzieht, psychisch, mental und körperlich eng macht, den Blickwinkel einschränkt. Wir halten uns physisch selbst, weil wir den Grenzen im Außen nicht vertrauen können, und das ist auf Dauer sehr anstrengend.

Alte Belastungen lassen sich nicht einfach löschen. Aber wenn wir sie bewusst wahrnehmen und annehmen, und unserem Körper ermöglichen, neue Erfahrungen zu kreieren, werden alte Ängste transformiert. Wenn ich zurückschaue, warum ich mich heute sicher und geborgen in mir fühle, dann hat mich die Reise zuallererst nach innen geführt. In die eigenen ‚Höhlen‘ und Tiefen.

Es hilft, dem ängstlichen Kind in mir begegnet zu sein. Zu wissen, dass ich ihm selbst Halt geben kann, wenn es schreit. Wenn ich wieder einmal Krankheitssymptome überbewerte, mich übertrieben sorge, oder mich jedes Rascheln hochschrecken lässt, dann erleichtert und entspannt es, darin die alte Not meines Kindes zu erkennen. Mein Nervensystem wird schnell aktiviert, wo andere verwundert fragen ‚was hast du denn?‘ Dann tut es gut zu wissen, dass ich in meinem Leben früh Erfahrungen gemacht habe, die meinem Nervensystem gelehrt haben, schnell und dauerhaft in Alarmzustand zu sein. Es ist nur ein altes Muster, sage ich mir dann, und atme bis ich wieder ruhig werde. Warum Menschen, die früh Belastungen erlebt haben, sich nicht so leicht regulieren können wie andere, darüber liest du in Chronischer Stress und frühe Kindheit.

mich im eigenen Körper in Sicherheit fühlen

Aus der Angst in der Sicherheit des Körpers landen

In meinen Visionssuchen draußen in der Natur durfte ich Ängste konfrontieren und lösen, viel über innere Sicherheit erfahren. Ich weiß noch, in meiner ersten Nacht alleine im Wald wachte ich auf und schwitzte fürchterlich. Vor lauter Angst hatte ich mich mitten im Hochsommer in Pullover und dicken Schlafsack gepackt. Es war wunderschön heilsam, als ich dann frei da lag und spürte, wie mich die Dunkelheit sanft und friedlich einhüllte.

Es gab sogar Extremsituationen, in denen ich im wahrsten Sinne des Wortes mein Leben bedroht fühlte: Ein heftiges Gewitter in einer Auszeit-Nacht alleine am Berg, die Zeltplane flog weg, mein Schlafsack war durchnässt, Blitze erhellten den Himmel. Oder in der Morgendämmerung auf einem Stein, als eine Herde Wildpferde knapp an mir vorbeiraste. Der Boden zitterte und mein Herz war schneller als die Pferde.

Ich habe meinen Körper selten so intensiv präsent gespürt wie in diesen Situationen realer Gefahr. Angst hat ja eine wichtige Funktion in Gefahrensituationen, sie schärft unsere Sinne und gibt uns Kraft, uns zu schützen und zu überleben. Genau diese Überlebensinstinkte wurden in mir aktiviert. Ich war so klar wie selten. Und als die Erregungs-Energie aus meinem Körper wich, war es wie ein Glücksrausch von ‚ich habe überlebt‘. Und mein Körper konnte plötzlich besser zwischen echter Gefahr und alten Erinnerungen unterscheiden.

Denn oft ist es die Angst vor der Angst, die Vorstellung des Möglichen, die unbewusste Erinnerung an altes Drama, die unser Nervensystem in Alarmzustand versetzt. Ein Schlüsselsatz meiner Biodynamik-Lehrerin war ‚der Krieg ist vorbei‘. Heute erkenne ich, wenn das passiert, und habe Werkzeuge und Übungen, mein Erregungsniveau wieder zu regulieren.

Heilsame Berührung gibt Halt und Sicherheit

Haltgebende Berührung, in die ich mich wirklich fallen lassen kann, war und ist heilsam. Sie nährt und lehrt den Zellen zu entspannen. Es gibt viele Formen unterstützender Körperarbeit. Stück für Stück darf der Körper loslassen, sich öffnen, der Berührung vertrauen, ganz ankommen. So kann im wahrsten Sinne der embryonale Halt in der Gebärmutter, die liebevolle Berührung der Eltern nachgenährt werden. ‚Deine Berührung war so erdend, so haltgebend, es war wie nach Hause zu kommen.‘, solche Aussagen von Klienten berühren mich, weil ich meine Erfahrungen nun an andere weitergeben darf.

Von innen berührt uns der eigene Atem. Er ist in der Tat unsere beste Medizin und unser wichtigster Verbündeter, um alte Blockaden und Ängste zu lösen. Er durchströmt uns sanft aber beständig, bewegt und beruhigt uns, nährt und kräftigt uns. Er lässt uns die Verbindung mit uns selbst und dem Außen spüren und gibt uns, bewusst wahrgenommen, den inneren Halt, den wir brauchen.

Meine Erfahrungen in der Natur und mit der Körperarbeit haben mir geholfen, bewusst, präsent und ganz in meinem Körper anzukommen. Mein Atem und mein Bewusstsein führt mich in den Körper, ins Hier und Jetzt, egal ob ich in der Natur unterwegs bin, meditiere, mich bewusst bewege oder mit Biodynamischer Körperarbeit begleitet werde. Wo ich ganz da bin, kann kein anderer sein. Wenn ich wirklich präsent bin, spüre ich tief in mir das Vertrauen in meine eigene Kraft, meine eigenen Grenzen. Und ich binde mich an etwas an, das noch größer ist als ich: Eine universelle Energie, die mich hält und trägt. Endlos wie das Meer. Egal was war. Egal was sein wird.

Zurück zur Höhle über den Wellen: Wenn am Ozean die Stürme toben, darf ich mir selbst mein Rückzugsort sein. Und wenn ich meine Untiefen erforscht habe, meinen Körper als sicheres Zuhause erlebe, dann kann ich mich vertrauensvoll von der Weite und Freiheit der Ungewissheit tragen lassen, um neue Horizonte zu entdecken.

The ship is always safe 
at the harbour
but that is not what it was built for

John A. Sheed

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Roswitha

    Hallo Claudia,

    mein volles Ja! Sehr wertvoll, möge es viele Menschen erreichen, für die der Beitrag wertvoll ist.

    Roswitha

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